Kapitel 2: Schönheit ist Macht

Ich hatte ihn nicht angeschrieben. Das würde nur dazu führen, dass er dachte, dass ich doch etwas von ihm wollte, doch ich war nicht interessiert an ihm. Er hatte schon die halbe Schule durchgevögelt, bei ihm wäre ich nur eine von vielen und würde gleich in eine Schublade gesteckt werden. Doch in der Gruppe in der Perfektion und Einklang ein Muss war, gab es auch noch andere Jungen. Chuck war der Mädels-Aufreißer, dann gab es noch Dean, der Kapitän des Footballteams auch nicht gerade wenig mit Frauen unterwegs, doch er stand auf ältere. Außerdem Yorik der absolute Super-Nerd gesegnet mit einem unendlichen Charme, Wissen und ein verblüffend gutes Aussehen, wohl der am besten aussehende Typ der ganzen Mannschaft. Blake war der erfahrene von allen und er hatte soviel ich weiß drei groß bekannte Beziehungen und war auch drei Mal sitzen geblieben. Seine Freundinnen waren alle hübsch und blond. Und als letztes nicht zu vergessen Casper. Er ist schüchtern, zurückhaltend, absolut davon überzeugt, dass es das Gute gibt und Jungfrau. Er hatte öffentlich ausgesprochen, dass er keinen Sex vor der Ehe wollte und war nur in der Gruppe weil seine Zwillingsschwester, das knappe Gegenteil von ihm auch drin war. Wo wir zu den Mädchen kommen. Philadelphia die Schwester von Casper, eine absolute Bitch. Sie nimmt sich nur Typen aus dem Footballteam, hatte aber nie etwas mit einem aus der Gruppe. Sie ist strohblond wie auch ihre beste Freundin Vivien. Vivien hatte dafür mit jedem aus der Gruppe etwas und hatte sich auch schlimm mit Philadelphia verkracht als sie etwas mit Casper angefangen hatte. Nach einer Woche stillschweigen mit ihrer besten Freundin hatte sie sich entschieden, dass Sister eben doch über Mister ging und trennte sich wieder von Casper, der das natürlich voll verstand und eigentlich nur mit ihr zusammen war, weil er nicht für schwul gehalten werden wollte.

 

 

Und jetzt ratet doch mal wen ich mir ausgesucht hatte um meinen Bekanntheitsgrad zu erhöhen. Richtig Casper! Er würde mir helfen, doch dafür musste ich erst Mal an ihn rankommen und dazu brauchte ich Chuck. Ich wusste, dass sie jeden Freitag eine gigantische Houseparty in einer Villa am Stadtrand feierten und Chuck musste mich einladen. Also wartete ich am Tag vor der Party wieder am Motorradparkplatz und wartete auf Chuck. Felix stand bei mir, denn er hatte sich entschlossen weiterhin mit mir rumzuhängen. Er war schlau und ja sein Aussehen konnte man durchgehen lassen. Ich redete mit ihm ziemlich normal, was ihn verwunderte, da ich normalerweise etwas herablassend war, doch er hatte mich darauf angesprochen und mir gesagt, dass es schon ok wäre, schließlich hatte er eine große Schwester, die genau so wäre wie ich und das hatte mich etwas überrascht. Niemand war genauso wie ich. Als ein Auto ranfuhr und jemand hupte grinste er mich an: „Ach ja, June? Hast du Lust morgen mit mir wo hin zu gehen?“ Ich sah ihn etwas verwirrt mit gehobenen Augenbrauen an: „Glaubst du echt ich würde mit dir irgendwo hingehen.“ Er lachte leise und nickte dann: „Tatsächlich habe ich das wirklich geglaubt, aber deine Antwort sagt was anderes. Macht nichts, geh ich eben mit Philadelphia.“ Ich starrte ihn noch überraschter an, doch dann lachte er und ich verstand dass das von Anfang an ein Witz war: „Mann checkst du es immer noch nicht June? Ich bin schwul!“  Ein Lächeln entglitt mir und er erwiderte es, dann sagte er noch etwas, bevor er in das hupende Auto stieg: „Das Lächeln steht dir, solltest du öfters versuchen. Ich meine ehrlich zu lächeln.“ Dann knallte eine Autotür und er fuhr los.

 

 

„So ein Luser!“ lachte Chuck auf einmal hinter mir und ich wandte mich zeitgleich um und sah ihn an. Mein „ehrliches“ Lächeln war verschwunden und ich blickte ihn einige Sekunden an, ehe ich etwas erwidern konnte: „Ach Felix ist ganz in Ordnung… Ein bisschen zu soft vielleicht, er wird es nicht weit bringen.“ Chuck zog einen Schlüssel aus seiner Hosentasche und spielte damit, ehe er wieder zu mir, direkt in meinen Ausschnitt sah und etwas erwiderte: „Eben, ein Luser! Aber er soll ziemlich viel Kohle haben…Aber jetzt kommen wir zu dir. Dass du wieder hier stehst hat doch etwas zu bedeuten…“ Er grinste mich verschmitzt an und ich ließ wie beim ersten Mal meine Tasche zu Boden gleiten und spielte mit einer meiner rabenschwarzen, langen Haarsträhnen. Chuck gab sich nicht einmal Mühe seine auffälligen Blicke auf meine Brüste zu verstecken und trat einen Schritt näher. Ich biss mir auf die Unterlippe und lächelte zerknirscht. „Du hast mich nicht angeschrieben und bist obwohl es ausgemacht war nach der Schule nicht mit mir nach Hause gefahren.“ Ich sah zu Boden auf meine Schuhe und ließ meine Haarsträhne los. Als ich wieder aufsah, stand er direkt vor mir. Ich atmete hörbar aus und schloss die Augen zur Hälfte, dann sagte ich mit gesenkter Stimme in einem tieferen, heißen Tonfall: „Nun ja, das können wir doch noch nachholen. Er blitzte mich aus seinen Augen an und ich sah aus meinen eisblauen Augen zurück. Während ich so nach oben sah konnte ich meine langen, getuschten Wimpern sehen und ich öffnete den Mund leicht. Er nickte und ich sah ihm direkt an welche Zurückhaltung es ihm kostete mich nicht gleich wieder hier auf dem Platz zu begrabschen. „Nur nicht heute.“ Wandte ich ein und unterbrach die Anziehung, die er zu mir fühlte. Ich wich einen Schritt zurück und wie auf Kommando kam mein Chauffeur um die Ecke gebraust. „Aber morgen hätte ich Zeit… Nach der Schule bei dir?“ Er nickte erneut und hatte wohl total vergessen, dass morgen wieder eine Party war, aber daran würde er sich früh genug erinnern.

 

 

Am nächsten Tag schrieb ich meinem Vater einen Zettel, dass ich heute Abend etwas später nach Hause kommen würde. Er lag noch im Bett, da er zurzeit nachts arbeitete. Dass ich vorhatte erst morgens wieder zu kommen verriet ich aber nicht. Er würde es sowieso nicht bemerken, da er bis mittags schlafen würde, wenn er von der Arbeit kam. In der Schule wollte der Lehrer dann nach einer Woche doch endlich, dass ich mich vorstellte. Aber nicht nur ich mich, sondern jeder sollte einen Satz zu sich sagen. Die Reihe ging schnell und mit langweiligen Fakten vorbei, bis ich an der Reihe kam. Ausgerechnet in diesem Moment fiel mir nicht wirklich mehr ein als, ich heiße June bin 16 und eine verwöhnte Bitch, haltet euch fern von mir, weshalb ich mit den Wimpern klimperte und schließlich nur sagte: „Ich bin June, 16 Jahre alt und vor kurzem hier mit meinem Vater hergezogen.“ Das musste Reichen, doch ich sagte es mit starker Stimme und einer undurchbrechbaren Ausstrahlung.

 

Beim Mittagessen kam wieder Felix zu mir und trug mein Tablett, ich ging wie jede Woche an den Tisch am Fenster, doch dieses Mal ließen sich die Mädchen nicht so einfach vertreiben, weil kein Lehrer in der Nähe war. „Heute sitzt du wo anders.“ Fauchte das Mädchen mit den Spagetti-Haaren und funkelte mich an. Ihre Freundinnen bestärkten ihre Aussage und nickten. Ich seufzte laut, klimperte mit den Wimpern und fächelte mir mit der einen Hand Luft zu. Dann sah ich mit einem liebenswürdigen Lächeln auf sie herab: „Ich habe euch doch schon einmal erklärt, wie gerne ich am Fenster sitze. Die Sonne ist gut für meine Haut und euch bringt das schließlich nichts mehr, nicht mal die beste Schönheits-OP der Welt würde euch hübscher machen.“ Ein brünettes Mädchen starrte mich angewidert an und erhob sich neben, wie hieß sie dich gleich? Rebecca? „Du musst es ja wissen, an dir ist doch bestimmt nichts mehr echt.“ Felix zog scharf die Luft ein, doch ignorierte ihren Versuch mich zu beleidigen und winkte lässig ab: „Natürlich ist alles echt an mir… aber selbst wenn, lieber unecht als hässlich und jetzt verpisst euch.“ Ich starrte sie mit verengten Augen an und mein Lächeln war verschwunden. „Du bist so eine niederträchtige Schlampe, wir werden gar nichts tun! Du hast nicht Mal den dreckigsten Platz in diesem Raum verdient.“ Ich hob stolz den Blick und seufzte gelangweilt: „Das üben wir noch mal… Aber langsam nervt ihr mich.“ Ich wies Felix an das Tablett abzustellen und plötzlich richteten sich alle Blicke auf mich und Rebecca. Ihr Gesicht lief so rot an, dass man meinen konnte, sie würde im nächsten Moment explodieren und auf diese Sauerei hatte ich echt keine Lust. Plötzlich öffnete sie den Mund und schrie so laut, dass es sogar die Cafeteriafrau hören konnte: „Du Miststück, verpiss dich in das dreckige Bordell aus dem her gekrochen gekommen bist und lass dich nie wieder blicken.“ Ich machte einen weniger beeindruckten Gesichtsausdruck und betrachtete meine Nägel. Alle warteten auf meine Reaktion und ich konnte im Augenwinkel sehen, wie meine Gelassenheit selbst Rebecca beunruhigte. Doch ich blieb ruhig und alle hielten die Luft an, dass es so still war, dass man selbst eine Stecknadel zu Boden fallen hätte hören können. Ich hob langsam den Blick, dann setzte ich mich ohne etwas zu sagen an den Tisch und biss in meinen Apfel. Felix grinste nachdenklich und plötzlich fing er laut an zu lachen: „Oh je, da ist wohl jemand aus der Klapse ausgebrochen. Rebecca ist verrückt.“ Keiner fand lustig was er sagte, doch Rebecca lief noch dunkelroter an und ihr entfuhr ein Wutschrei. Jetzt waren alle von dem überzeugt was Felix gesagt hatte und irgendwo fing tatsächlich jemand anderes an zu lachen. Dieser Jemand lachte aber so merkwürdig, dass sich das Lachen langsam im ganzen Raum ausbreitete. Rebecca fühlte sich furchtbar angegriffen, obwohl die Meisten wohl nur über das Lachen lachten und ich sah sie einfach nur stumm mit einem Lächeln auf den Lippen an und biss weiter in meinen Apfel. Das passierte nun Mal wenn man sich mit mir anlegte. Rebecca wollte nicht nachgeben, doch ihre Freunde waren aufgestanden und zogen sie langsam aus dem Raum. Rebecca wehrte sich so Tatkräftig mit Schlägen und Tritten, das einige ihren Freunden zur Hilfe eilten. Felix setzte sich mit Tränen in den Augen lachend zu mir und ich überschlug die Beine und rang mir ein siegreiches Lächeln ab. Gut gemacht Felix.

 

Im Unterricht schauten alle zu mir und ich bekam noch während den letzten Minuten eine SMS von Felix. Ja er hatte meine Nummer, weil er sozusagen fast ein Freund geworden war. Er war nicht anders als die Mädchen und Jungen in meiner alten Stadt, doch er war hilfreicher. Er half mir obwohl er zur Mittelschicht gehörte aufzusteigen und arbeitete sich mit  mir hoch.

 

 

Hey June, ich habe nachgedacht… Eigentlich war es richtig assozial was wir heute getan haben, aber ich fühle mich nicht schlecht deswegen… Bin ich deshalb ein schlechter Mensch? Das wirst du mir gerade sagen können, oder? Schließlich war bei dir von Anfang an klar, dass du nichts Gutes im Schilde führst… Jedenfalls hat mich Philadelphia zu einer Party eingeladen… Philadelphia hat mit mir gesprochen… ist das nicht krass? Wenn ich will kann ich Freunde mitbringen, aber du kannst dir ja denken, dass meine Freunde nicht in diese Welt gehören, also wenn du willst, ich würde dich mitnehmen…

 

Ace

 

 

Ace war Felixs richtiger Name, aber ich nannte ihn trotzdem lieber Felix… Ich fand irgendwie, dass es besser passte und er hatte nichts dagegen, also. Er war von Anfang an viel zu verständnisvoll für das gewesen was ich tat, das war irgendwie seltsam. Anscheinend schien er mich wirklich zu mögen. Aber das war ja auch egal… Sollte er doch. Es war immer gut nicht nur gehasst zu werden. Bewunderung gehörte auch dazu. Als ich seine Nachricht sah musste ich grinsen, er lernte schnell und das war beeindruckend… Aber ich würde mit Chuck auf die Party gehen, schließlich war Felix ja sowieso schwul. Aber erst musste mich Chuck einladen und ich hatte die ungute Befürchtung, dass er gegen den Willen seiner Freunde nicht auf der Party aufkreuzen würde um mit mir gemeinsam Zeit zu verbringen… Das musste ich irgendwie verhindern, aber zumindest bei ihm stimmte das Sprichwort, dass Männer nur mit dem Schwanz dachten…